Benötigen Sie eine Unternehmensbewertung für Ihre Bank oder wollen Sie Ihr Unternehmen veräußern? Suchen Sie bereits nach einem Käufer, oder sind Sie einfach interessiert an dem aktuellen Wert Ihres Lebenswerks?
Eine Unternehmensbewertung kann die verschiedensten Gründe haben, spielt aber eine entscheidende Rolle bei Verkaufs- oder Übernahmeprozessen sowie bei der Planung der Unternehmensnachfolge. Wir wollen im Folgenden darüber aufklären, wie eine Unternehmensbewertung abläuft, welche Verfahren oder verschiedene Methoden dazu gängig sind und welche Informationen in eine Bewertung einfließen. Gern beraten wir Sie persönlich, wenn es darum geht, den Wert Ihrer Firma zu steigern.
1. Unternehmensbewertung nach dem Gesetz
Der Gesetzgeber möchte sich bei der Bewertung eines Unternehmens ungern einmischen, hält es aber für sinnvoll, Standards vorzugeben.
Daher ist bei uns in Deutschland zur Unternehmensbewertung das vereinfachte Ertragswertverfahren vorgeschrieben, welches im Bewertungsgesetz BewG §199ff aufgeführt ist.¹
Spannend: Von diesem Gesetz abweichende Methoden sind durchaus zulässig, weshalb sich nicht nur Wirtschaftsprüfer, sondern auch Marktexperten ein Unternehmen mit eigenen Verfahren bewerten.
Das vereinfachte Ertragswertverfahren ist aber in jedem Fall interessant für einen ersten Daumenwert und findet völlig unabhängig von der Rechtsform des zu bewertenden Unternehmens Anwendung.
Zur Berechnung wird der bereinigte Durchschnitt der Geschäftsergebnisse (bei bilanzierenden Unternehmen der Gewinn aus der Steuerbilanz) der vergangenen 3 Geschäftsjahre zugrunde gelegt. Der daraus folgende Ertragswert wird mit einem Kapitalisierungsfaktor (gesetzlich festgelegt zuletzt 2016 auf 13,75) multipliziert.
Ja, der Kapitalisierungsfaktor wurde seit 10 Jahren nicht angepasst. Allein dieser Aspekt verleitet schon dazu, auf andere Bewertungsverfahren auszuweichen.
Bleibt noch die Bereinigung der Geschäftsergebnisse, bevor es zu einer Berechnung kommt.
Bereinigt werden die Geschäftsergebnisse z.B. durch folgende Punkte:
Hinzurechnung
- Investitionsabzugsbeträge, Sonderabschreibungen, Bewertungsabschläge,
- Zuführung zu steuerlichen Rücklagen, Teilwertabschreibungen,
- Außerplanmäßige Abschreibungen, Abschreibungen auf den Firmenwert,
- Einmalige Veräußerungsverluste und außerordentliche Aufwendungen,
- Im Gewinn nicht enthaltene Investitionszulagen, Ertragsteueraufwand,
- Aufwendungen im Zusammenhang mit nicht betriebsnotwendigem Vermögen und jungem Betriebsvermögen,
- sonstige wirtschaftliche nicht begründete Vermögensminderungen (verdeckte Gewinnausschüttungen)
Abzüge
- Gewinnerhöhende Auflösung steuerfreier Rücklagen,
- Zuschreibungen aufgrund vergangener Teilwertabschreibungen,
- einmalige Veräußerungsgewinne, außerordentliche Erträge,
- im Gewinn enthaltene Investitionszulagen, der kalkulatorische Unternehmerlohn,
- Vergütung für bislang unentgeltlich tätige Familienangehörige,
- Erträge aus der Steuererstattung, Zusammenhang mit nicht betriebsnotwendigem Vermögen und jungem Betriebsvermögen,
- sonstige wirtschaftliche nicht begründete Vermögenserhöhungen (Überlassung eines vergünstigten Autos oder Grundstücks),
- 30% des positiven Betriebsergebnisses zur Abgeltung des Ertragsteueraufwandes
Auch wenn Sie die Theorie bis hierhin verstanden haben, helfen wir Ihnen dennoch gern mit folgender Beispielrechnung weiter. Unschwer zu erkennen ist der durchschnittliche Ertragswert – welcher dem Verfahren seinen Namen gibt – und der aus der Multiplikation mit dem Kapitalisierungsfaktor resultierende Unternehmenswert.
1.1 Unternehmensbewertung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren - Beispielrechnung
Ausgehend von einem Unternehmen mit einem Umsatz von durchschnittlich circa EUR 1,0 Mio. in den letzten 3 Jahren, ergibt sich folgendes Ergebnis:
EUR 3.946.000,- (gerundet)
Herzlichen Glückwunsch. Das Unternehmen ist laut dem gesetzlichen Standard knapp 4 Mio. Euro wert. Ob ein potentieller Käufer diesen Kaufpreis zahlt, ist Verhandlungssache. Lesen Sie weiter unten, warum der errechnete Unternehmenswert nicht als alleinige Verhandlungsgrundlage dienen sollte.
2. Unternehmensbewertung nach IDW-S1
Unter dem IDW S1 versteht man die vom IDW (Wirtschaftsprüfer-Verband) veröffentlichten „Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen“, die eine Bewertung einer Firma unabhängig von individuellen Charakteristika der Unternehmen ermöglichen sollen. ²
Die Methode des (hier: objektivierten) Ertragswertverfahrens nach IDW S 1 orientiert sich grundsätzlich an dem gesetzlichen Ansatz, erfolgt dennoch abweichend, wie folgt:
Zeitraum
Es wird ein Zeitraum von z.B. 4 oder 5 Jahren betrachtet und eine darauffolgende ewige Rente angesetzt.
Grundlagen
Als Berechnungsgrundlage dienen Planbilanzen und Plan-GuVs aus dem angesetzten Zeitraum, um den nachhaltigen Gewinn zu errechnen.
Berechnung
Letztendlich wird der Kalkulationszins bestimmt und der Nettogeldfluss mit dem errechneten Kalkulationszins abgezinst.
2.1 Grundlage zur Beispielrechnung
Wir gehen von einem Unternehmen mit einem jährlichen Umsatz von ca. EUR 1,0 Mio. aus und einem geplanten Jahresüberschuss für die jeweiligen Jahre 2024 bis 2027 und folgende. Die unten aufgeführten, für 2023 aktuellen Marktdaten zu Basiszins, Risikoprämie und Diskontierungsfaktor gelten ebenfalls als Grundlage für die Berechnung.
2.2 Unternehmensbewertung nach IDWS1 - Beispielrechnung
Ausgehend von einem Unternehmen mit einem Umsatz von durchschnittlich EUR 1,0 Mio. und einem voraussichtlichen Jahresüberschuss in den Folgejahren 2023 bis 2027ff, ergibt sich folgender Unternehmenswert:
EUR 2.654.000,- (gerundet)
3. Unternehmensbewertung auf Basis von Multiplikatoren
Für die Bewertung von mittelständischen Unternehmen hat sich die marktwertorientierte Methode und damit das Multiplikatorverfahren als gängige Praxis durchaus bewährt.³
Multiplikatoren (EBIT-Multiples) dienen als gute Orientierung, um den Wert eines Unternehmens vor dem Kauf zu ermitteln.
Grundlage
Als Grundlage für die Berechnung dient meist das Betriebsergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT), ggf. der Umsatz. Das Ergebnis wird mit den entsprechenden Faktoren aus der Datengrundlage multipliziert.
Harte Faktoren sind im Gegensatz zu weichen Faktoren relativ eindeutig messbar. Weiche Faktoren lassen sich dennoch positiv beeinflussen.
Im Vergleich zu den anderen gängigen Bewertungsmethoden stellt sich das Multiplikatorenverfahren in seiner Anwendung einfacher und verständlicher dar. Für die Wertberechnung sind insgesamt nur wenige Parameter erforderlich, da es ausschließlich auf Daten und Fakten des aktuellen Statusquo basiert. Dennoch wird durch Beantwortung gezielter Fragestellungen ein Blick in die Zukunft gewagt.
Faktor 1: Größe und Branchenzugehörigkeit des Unternehmens
In Deutschland wird zwischen den wichtigsten 16 verschiedenen Branchen unterschieden.
In jeder Branche wird der Wert eines Unternehmens differenziert betrachtet, daher lassen sich aus allen bisher getätigten Transaktionen deutschlandweit branchenspezifische Multiplikatoren-Korridore bezogen auf den EBIT des zu bewertenden Unternehmens ableiten.
Zusätzlich unterscheidet man innerhalb der jeweiligen Branche grob die Unternehmensgröße zwischen Small-Cap (Unternehmen mit einem Umsatz von bis zu EUR 50 Mio.), Mid-Cap (Unternehmen mit einem Umsatz von bis zu EUR 250 Mio.) und Large-Cap. (Unternehmen mit einem Umsatz ab EUR 250 Mio.).
Aktuelle Korridore (Darstellung des Mittelwerts) für Branchenmultiplikatoren aus dem Jahr 2023 lassen sich der Fachliteratur entnehmen.
Faktor 2: Abhängigkeit von Unternehmer und Führungspositionen
Viele Unternehmen sind erfolgreich aufgrund persönlicher oder jahrelang gewachsenen Geschäftsbeziehungen zwischen dem Inhaber und den Kunden.
Auch Führungspersönlichkeiten können enge Bindungen zu Kunden aufbauen. Bei Wegfall der Führungspersonen oder des Inhabers kann es zu einer Verschlechterung oder gar Auflösung der Geschäftsbeziehungen kommen und somit zu einer erheblichen Beeinflussung der zukünftigen Umsätze.
Einige Branchen, wie auch viele Felder der beratenden Dienstleistung sind sehr stark abhängig von den persönlich aufgebauten, oft sehr auf Vertrauen basierenden Beziehungen zwischen Inhaber und Kunden oder Mandanten.
Daher ist die Abhängigkeit des Unternehmenserfolgs vom Unternehmer oder Führungspersönlichkeiten ein wichtiger Faktor in der Unternehmensbewertung.
Faktor 3: Marktanteil im relevanten Markt
Der Marktanteil eines Unternehmens im relevanten Markt wertet den Umsatz bezogen auf den Gesamtumsatz des betreffenden Marktes. Ein Unternehmen mit einem hohen Marktanteil, oder gar mit einer Marktführerschaft wird bei der Unternehmensbewertung besser bewertet, als ein Unternehmen mit einem geringen Marktanteil.
Faktor 4: Einzigartigkeit der Produkte/ Dienstleistungen
Wer einzigartige Produkte oder Dienstleistungen anbietet, ist oftmals sehr gefragt. Das ist für die Bewertung eines Unternehmens ein interessanter Faktor. Kommt dazu noch eine hohe Preissetzungsmacht (aufgrund einer starken Marke oder eben der Einzigartigkeit der Produkte/Dienstleistungen), wird dieser Faktor maximiert.
Faktor 5: Investitions- und Modernisierungsbedarf
Na klar, ein marodes Unternehmen mit hohem Investitionsbedarf macht eindeutig keinen guten Eindruck und wird in der Bewertung sicher gegen ein modernes Unternehmen das Nachsehen haben. Der aktuelle und auch der zukünftige Investitions- und Modernisierungsbedarf hat einen relativ hohen Einfluss auf die Unternehmensbewertung.
Faktor 6: Umsatzdiversifizierung
Diversifizierung schwächt Risiken ab. Sollte eine Produkt- oder Dienstleistungssparte weniger rentabel sein, so kann sie von den rentableren Sparten aufgefangen werden.
Einem Unternehmen mit einer hohen Umsatzdiversifikation wird daher in den meisten Fällen ein höherer Wert zugeschrieben.
Faktor 7: Gewinn / EBIT
Der Gewinn vor Steuern und Zinsen lautet EBIT und sollte in jedem Unternehmen eine bekannte Größe darstellen.
Multipliziert man die zuvor erarbeiteten Faktoren mit dem EBIT, lässt sich der Firmenwert als marktnahe Größe ableiten.
Faktor 8: Umsatz
Neben dem EBIT als Ausgangsfaktor für die Multiplikatorenmethode lässt sich auch der Umsatz verwenden. Die Umsatzmultiplikatoren sind je nach Branche aus diversen Transaktionen entstanden und oben unter „Faktor 1“ dargestellt.
Zur Berechnung wird der durchschnittliche Umsatz der letzten 3 Jahre angesetzt.
Allerdings ist nicht nur der Umsatz selbst, sondern auch die Art der Umsätze relevant.
Nettofinanzschulden
Neben dem EBIT wird für die Ermittlung des Unternehmenswertes die Nettofinanzverschuldung (Net Debt) des Unternehmens benötigt.
Die Nettofinanzschulden stellen die Summe aller Schulden und Kredite eines Unternehmens und der überschüssigen Liquidität dar.
Zieht man die Nettofinanzschulden von dem errechneten Firmenwert ab, so erhält man den Wert des Eigenkapitals und damit den Verkaufswert des Unternehmens.
(Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistungen fließen nicht in die Berechnung ein, da sie zum laufenden Geschäftsbetrieb gehören und meist nicht zinstragend sind.)
Von der Summe der zinstragenden Verbindlichkeiten wird die überschüssige Liquidität (Barreserven) abgezogen. Dazu zählen Cash-Bestand, Sichteinlagen, kurzfristige Geldanlagen und Wertpapiere (sofern diese nicht aus reinen Liquiditätsgesichtspunkten zur Aufrechterhaltung der Geschäftstätigkeit erforderlich sind). Als Stichtag gilt der Tag der Unternehmensbewertung.
3.1 Unternehmensbewertung per EBIT-Multiple – Beispielrechnung:
z = (Faktor Branche) * (Faktor Abhängigkeit) * (Faktor Marktanteil) * (Faktor Einzigartigkeit der Produkte) * (Faktor Investitionsbedarf) * (Faktor Umsatzdiversifizierung) * e (EBIT) – n (Nettofinanzschulden)
Ausgehend von einem Unternehmen mit einem Umsatz von durchschnittlich EUR 1,0 Mio. in den letzten 3 Jahren, einem EBIT von EUR 410.000,- (Durchschnitt der letzten 3, dem aktuellen und den folgenden 2 Jahren) und Nettofinanzschulden in Höhe von EUR 0,- ergibt sich folgendes Ergebnis:
Ergebnis per EBIT-Multiple: EUR 2.500.000 (gerundet)
Wenn Sie diesen Artikel lesen, weil Sie Interesse an einer Veräußerung Ihres Unternehmens haben, unterstützen wir Sie gern bei der Bewertung Ihrer Firma.
4. Unternehmensbewertung nach dem modifizierten Ertragswertverfahren
Das gesetzlich vorgeschriebene Ertragswertverfahren haben wir oben bereits ausgiebig erläutert.
Modifiziert man die bekannte Methode und wagt einen Blick in die Zukunft, statt in die Vergangenheit, kann man sich eine sinnvollere Betrachtung des Firmenwerts versprechen.
Ausgehend von einem Unternehmen mit Aufführung der prognostizierten Jahresüberschüsse der folgenden Jahre ergibt sich folgende Betrachtung:³
4.1 Unternehmensbewertung nach mod. Ertragswertverfahren - Beispielrechnung
Die Einzahlungsüberschüsse werden jetzt noch bereinigt um bis zu 10% Abzug für fehlende kaufmännische Kenntnisse des Erwerbers und miithilfe aktueller Marktdaten lässt sich der Kalkulationszinsfuß inkl. Risikofaktor bestimmen (siehe folgende Abbildung):
Mit der Formel W =
1. Prognosephase
Einzahlungsüberschuss Jahr 1 / 1+i+z
- Einzahlungsüberschuss Jahr 2 / (1+i+z)^2
- Einzahlungsüberschuss Jahr 3 / (1+i+z)^3
2. Prognosephase
- Einzahlungsüberschuss Jahr 4 / (1+i+z)^4
- Einzahlungsüberschuss Jahr 5 / (1+i+z)^5
- Einzahlungsüberschuss Jahr 6 / (1+i+z)^6
3. Prognosephase
- Einzahlungsüberschuss Jahr 7 / (i+z)*(1+i+z)^6
- Veräußerungserlös des nicht-betriebsnotwenigen Vermögens
erhalten wir das folgende Ergebnis.
= EUR 3.162.400 (gerundet)
5. Ergebnisse aus allen Verfahren
Wir haben anhand eines Unternehmens mit einem durchschnittlichen Umsatz von EUR 1,0 Mio., einem durchschnittlichen EBIT von EUR 410.000,- und den für das Jahr 2023 aktuellen Zins nebst Zuschlägen den Unternehmenswert per 4 verschiedener Verfahren berechnet.
Aus den Ergebnissen geht klar hervor, dass der Unternehmenswert je nach Verfahren unterschiedlich ausfällt.
Der Mittelwert liegt in unserem Fallbeispiel bei EUR 3.066.000,- und sollte einen guten Anhaltspunkt für den maximalen Wert des Unternehmens bieten.
Schlussendlich weisen wir gern darauf hin, dass der Wert eines Unternehmens, wie der Wert eines jeden Angebots immer davon abhängig ist, welchen Kaufpreis ein Käufer am Ende bietet. (Prinzip: Angebot und Nachfrage)
Nicht nur den Wert Ihres Unternehmens, sondern auch einen geeigneten Käufer für Ihr Unternehmen finden Sie mit unserer Hilfe.
Verwendete Quellen
- Gesetze im Internet. Bewertungsgesetz (BewG) § 199 Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens.
- IDW Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen. (IDW S1 i.d.F. 2008)
- Matschke M.J. & Brösel, G. (20139. Unternehmensbewertung - Funktionen - Methoden - Grundsätze (4. Auflage)